Samstag, 10. Dezember 2016

Energieversorgung: Wie lässt sich die Erdölabhängigkeit reduzieren

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Strom, Wärme und Mobilität, niemals zuvor waren wir so sehr auf diese Energiefaktoren angewiesen wie in diesem Jahrtausend. Ein Ende des global steigenden Energiekonsums zeichnet sich nicht ab. 80% der globalen Energieversorgung werden durch die fossilen Brennstoffe Kohle, Erdöl, Erdgas und Uran gedeckt und der Bedarf an ihnen steigt weiter. Kohle, Uran und Erdgas sind noch in riesigen Mengen vorhanden und werden in den nächsten Jahrzehnten nicht verknappen, aber die Erdölfördermenge stagniert global, denn das Fördermaximum des Erdöls wurde 2006 erreicht. Am meisten auf das Erdöl angewiesen ist unser Mobilitätsbereich, aufgrund der starken Abhängigkeit von Erdölimporten und der Notwendigkeit des Öls für das Funktionieren unserer Wirtschaft, ist es daher unumgänglich nach Alternativen zu suchen, die das Erdöl als Treibstoff in großen Mengen ersetzen können.

Probleme des Erdöls
Bevor ich eine der vielversprechendsten Alternativen zum Erdöl erläutere, sei hier auf die Probleme, die mit dem Erdöl verbunden sind, eingegangen. Das Erdöl war und ist die treibende Kraft hinter dem außergewöhnlichen Wachstum, vor allem des letzten Jahrhunderts, es ist Rohstoff für eine Vielzahl an Produkten (Brennstoffe, Treibstoffe, sämtliche Kunststoffe oder -fasern etc.) und liefert die notwendige Energie, die es ermöglicht, dass Landwirtschaft und Industrie ihre Produktionsmengen steigern können. Es hat uns darüber hinaus einen unvorstellbaren Komfort geliefert, die Mehrheit besitzt heute ein oder gar mehrere Autos, denen in Österreich über 2.000 Tankstellen zur Verfügung stehen. Aber all das Wachstum und der Komfort haben auch einen Preis, den Preis der Abhängigkeit: Amerika, Europa und China, die drei größten Erdölkonsumenten, sind auch alle Nettoimporteure von Erdöl, das kann so lange gut gehen, so lange das Erdöl in ausreichenden Mengen vorhanden ist, sodass es niemand dem anderen „Weg nehmen“ muss.

Diese Zeit ist aber im Begriff zu Ende zu gehen, denn das konventionelle Erdöl hat sein Fördermaximum (peakoil) 2006 erreicht, überhaupt sind Kriege um das Öl eine historische Tatsache, der Nahe Osten weiß das nur allzu gut. Dazu etwas an Hintergrundwissen: Der Geologe Marion King Hubbert hat aufgezeigt, dass die Fördermenge eines Ölfeldes, eines Landes und der ganzen Welt immer einer Glockenkurve ähnelt. Sprich, auf eine Steigerung der Erdölförderung folgt ein Höhepunkt (peak) und schließlich eine Abklingphase. Nicht das vollkommene Ende der Erdölförderung ist das ausschlaggebende Datum, sondern das Erreichen dieses Höhepunkts, denn sobald dieser bei der globalen Ölförderung erreicht wird, beginnt das Erdöl zu verknappen und die Preise werden stark volatil. Dieser Höhepunkt wurde, wie bereits erwähnt, beim konventionellen Erdöl schon erreicht, nun gibt es aber auch noch das unkonventionelle Erdöl - zu dem Tiefseeöl, Polaröl, Teersand, Schweröl oder Tight Oil zählen – welches sein Fördermaximum noch nicht erreicht hat.

Das Problem dieser unkonventionellen Erdölvorkommen ist jedoch deren Förderung, diese ist um vieles teurer und ineffizienter als beim konventionellen Erdöl, welches nach dem Anbohren der Ölfelder, von selbst aus den Rohren strömt. Konventionelles Erdöl kann mit einem sehr guten Verhältnis von Energieaufwand zu Energieertrag von 1:100 gefördert werden, das heißt, dass ein Fass Erdöl erforderlich ist um 100 Fass Erdöl zu gewinnen. Bei den unkonventionellen Erdölvorkommen, verschlechtert sich dieses Verhältnis in der Förderung stark, der Ölschiefer-Abbau weist das schlechteste Verhältnis auf, 1:5 oder gar nur noch 1:2. Darüber hinaus ist der Preis dieser Fördermethoden hoch: Der Abbau von Ölsand lohnt sich erst bei Ölpreisen von über 70 Dollar pro Fass und auch die Kosten für Fracking belaufen sich auf rund 40 Dollar pro Fass Öl. Außerdem werden die unkonventionellen Vorkommen unseren globalen Bedarf an Erdöl ebenfalls nicht langfristig sichern können, sondern nur ein zweites Fördermaximum auf der Zeitachse markieren - die mit der Gewinnung dieser Vorkommen einhergehenden Umweltprobleme sind hier noch gar nicht erwähnt.

Es steht also fest, wir müssen in den kommenden Jahrzehnten unseren Bedarf an dem fossilen Brennstoff Schritt für Schritt reduzieren und mit anderen Energieträgern decken. Das ist zur Notwendigkeit geworden, aber warum uns in der Wirtschaftsform, die für das Hervorbringen von Alternativen bekannt ist, nicht schon seit längerer Zeit Alternativen zum Treibstoff Erdöl zur Verfügung stehen, sollte dabei nicht übersehen werden. Wie alle Unternehmen, machen auch die Erdölunternehmen mehr Gewinn, wenn sie mehrere ihrer Produkte verkaufen oder der Preis pro Einheit steigt, es liegt also in ihrer Natur, dass sie möglichst viel Öl verkaufen möchten, was jedoch mit den Gedanken der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes schwer vereinbar ist. Das diese Konzerne auch zu den politisch und medial einflussreichsten gehören, lässt sich schon an ihren Gewinnen in zweistelliger Milliardenhöhe ablesen, denn die Verbindung von Kapital und Politik hat schon Edward Bernays 1928 angemerkt: „Wirtschaftliche Macht hat die Tendenz, politische Macht nach sich zu ziehen.“ Wir müssen also in einer Demokratie als Bevölkerung aktiv Alternativen einfordern, damit diese auch mehr Bedeutung gewinnen und von der Politik eine angemessene Priorität zugestanden bekommen.

Wie kann das Erdöl ersetzt werden?
Während Elektroautos wohl die beste Lösung für unsere persönliche Motilität darstellen - vor allem in Verbindung mit Brennstoffzellen, denn dann könnte auf Batterien verzichtet werden - sollte dennoch auch eine Übergangslösung, welche die Erdöltreibstoffe an sich ersetzen kann, entwickelt werden. Als solche Lösung bekannt ist vor allem der Biotreibstoff Ethanol aus Zuckerrohr oder Mais, doch für diese Agrarprodukte werden große Ackerflächen benötigt und der Ertrag der Ernte steht der Lebensmittelindustrie nicht mehr zur Verfügung. Vielversprechender ist daher eine der ältesten, wenn nicht die älteste Nutzpflanze der Welt: Der Hanf. Hanf vereint eine Vielzahl vorteilhafter Eigenschaften. Das grüne Gewächs kommt weitestgehend ohne dem Einsatz von Pestiziden aus, da es Unkraut erstickt, beim Dünger kann auch gespart werden und es lockert den Boden dank seiner tiefen Wurzeln (bis zu 2 Meter tief) auf und reichert die oberen Schichten so wieder mit Nährstoffen an. Darüber hinaus wächst Hanf fast überall auf der Welt, abgesehen von Wüste, Tropen und Polargebieten. Das wichtigste an der Pflanze ist aber, dass sie Europa dabei helfen könnte, von Erdölimporten aus Krisengebieten unabhängiger zu werden, denn sie liefert hervorragende natürliche Fasern, Biomasse und Öl.

Aber, fast nirgends wird Hanf angebaut, wieso ist der Nutzhanf also von unseren Feldern und aus unserem Produktionszyklen verschwunden? Einerseits haben Anfang des 20. Jahrhunderts billige Faserimporte von Jute und Sisal aus den Kolonien Europas und die billigere Verarbeitung von Baumwolle, dank Baumwollmaschine, den Hanf nicht mehr konkurrenzfähig gemacht. Andererseits war der Hanf bei den Großunternehmern des frühen 20. Jahrhunderts (z.B. DuPont) nicht beliebt und so haben sich diese beispielsweise in Amerika dafür eingesetzt, dass der Marihuana Tax Act in Kraft tritt, welcher derart hohe Steuern auf den Rohstoff erlässt, dass er nicht wirtschaftlich verwendet werden kann. Das Gesetzt wurde begleiteten von massiver Propaganda und Desinformation in den Medien, welche den Hanf einzig als gefährliche Droge, auf dem Niveau von Heroin, darstellten und seine vorteilhaften Eigenschaften völlig ignorierten. Was aber hat den Hanf unter den Chemie- und Erdölunternehmen unbeliebt gemacht: Gründe dafür sind unter anderem, dass sich seine Fasergewinnung nicht patentieren lässt und auch sein Anbau kaum monopolisiert werden kann, im Unterschied zur Erdölförderung, die sich in den Händen einiger weniger Firmen befindet, welche über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen und diesen Rohstoff verteilen. Es widerstrebt also den Interessen der großen Chemieunternehmen und auch denen der Pharmaunternehmen, wenn Hanf als Faser, Medizin oder Treibstoff verwendet wird.

Abgesehen davon, dass er, aufgrund seines 70-prozentigen Zelluloseanteils im Stängel, ideal für die Papierindustrie wäre, lässt sich aus Hanf-Biomasse Methanol herstellen – für die Ethanolproduktion ist er aufgrund seines niedrigen Zuckergehalts dagegen nicht geeignet. Methanol kann aber wie auch Ethanol dem Benzin beigemischt werden, wodurch der Bedarf an Erdöl für den Verkehr reduziert werden könnte. Dank der bereits erwähnten Vorteile von Hanf, wäre dieser besonders gut zum Bepflanzen von Brachland geeignet, er würde den Boden aufwerten und gleichzeitig Rohstoff liefern, eine Win-Win-Situation. In warmen Regionen kann übrigens sogar zwei Mal jährlich Hanf geerntet werden, da er so schnell wächst (die Vegetationszeit von Hanf beträgt lediglich 100 Tage). Eine Statistik, noch aus Zeiten der EG, gibt für den europäischen Raum 30 Mio. Hektar Brachland an, wobei aus einem Hektar Hanf bis zu 9.500 Liter Methanol gewonnen werden können. Auf einem fünftel der Fläche (6 Mio. Hektar) ließen sich somit zumindest 156 Mio. Liter Methanol pro Tag erzeugen, wobei das fast einem Drittel des europäischen Benzinverbrauchs (483,6 Mio. L/Tag) entspricht (vom Methanol wird aber mehr benötigt, um die selbe Energie zu erzielen). Zu berücksichtigen bleibt jedoch das Methanol in normalen Motoren kein Ersatz für Benzin ist, jedoch mit diesem gemischt werden kann - 15% Methanolanteil ist eine optimale Mischung. In Brasilien ist deshalb die Flex Fuel-Technologie weit verbreitet, welche es Autobesitzern ermöglicht problemlos mit Benzin, Ethanol oder Methanol zu fahren. Ein großer Vorteil des Anbaus von Hanf wäre hier außerdem, dass dadurch auf Mais für die Treibstoffherstellung verzichtet werden könnte.

Aus den Hanfsamen kann Öl gewonnen werden, je nach Hanfsorte bis zu 890L pro Hektar und Jahr, wobei mit Raps rund die doppelte Menge erzielt werden kann. Trotzdem würde das wiederum auf 6 Mio. Hektar Anbaufläche einem Ertrag von 14,6 Mio. Litern Öl pro Tag entsprechen. Die Ölproduktion für Bio-Diesel lässt sich wahrscheinlich aber mit einer gänzlich anderen Pflanze am besten lösen, nämlich mit Algen. Diese liefern, abhängig von der verwendeten Art, über 60% Öl in ihrer Trockenmasse. Die Schätzungen des erzielbaren Ertrags von Öl aus Algen reichen von 45.000 bis 135.000 Litern pro Hektar und Jahr. Auf einer Fläche von beispielsweise 1 Mio. Hektar sollten damit also mindestens 123 Mio. Liter Öl am Tag produziert werden können. Das Algenöl steht mit Forschung und Entwicklung jedoch noch am Anfang, es gibt zwar bereits Anlagen, die es produzieren, aber die Kosten sind je nach verwendetem Verfahren sehr unterschiedlich und teilweise hoch. Ein Nachteil der Produktion von Algenöl ist, dass diese vom Klima und der Jahreszeit abhängig ist, der hohe erwartbare Ertrag sollte jedoch Anlass für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Verfahren auf wirtschaftlicher und politischer Ebene sein.

Als Fazit kann eines gesagt werden: Die globale Erdölförderung wird, dank der unkonventionellen Fördermethoden, konstant gehalten oder gar gesteigert werden können, ehe sie aber endgültig beginnt einzubrechen. In Anbetracht des Steigenden Bedarfs an Erdöl, vor allem in den werdenden Industrieländern, sind Interessenskonflikte bei der Verteilung des Öl unausweichlich, wenn wir es nicht schaffen den Stellenwert des Erdöls in unserer Energieversorgung, hierzulande besonders im Mobilitätsbereich, zu senken.

Quellen:
M15 Methanol Gasoline Blends
Jack Herer, Mathias Bröckers – Hanf
Daniele Ganser - Erdöl

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